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Will McBride, 1974

Will McBride erhält Salomon-Preis 2004 der DGPh 

Kult-Photograph der 1960er Jahre wird für sein stilbildendes Lebenswerk geehrt

 

Will McBride wird am 2. Oktober 2004 während der photokina in Köln für sein photographisches Gesamtwerk mit dem Dr.-Erich-Salomon-Preis der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh) ausgezeichnet. Die DGPh würdigt damit McBrides außerordentliche Leistungen auf den Gebieten der publizistischen und künstlerischen Photographie. Will McBrides Photo-Essays aus den 1960er Jahren gelten inzwischen als stilbildend. Sie sind zugleich Meilensteine eines Lebenswerkes, das auch geprägt ist von der Diskrepanz zwischen kometenhaftem künstlerischen Aufstieg und tiefen persönlichen Krisen.

Will McBride, 1931 in St. Louis, Missouri (USA) geboren, studierte Anglistik, Kunstgeschichte und Malerei, unter anderem bei dem bekannten Illustrator Norman Rockwell. Die Kamera setzte er dabei zunächst nur als

 „mechanischen Skizzenblock“ ein. 1953 kommt er als Soldat nach Deutschland. Während seines Militärdienstes entdeckt er immer stärker die Faszination der spontanen Bilder und photographiert immer häufiger. 1955 publiziert er schließlich sein erstes Buch, eine Photogeschichte über seine Einheit, herausgegeben von der US-Army.

Nach Beendigung seines Armeedienstes reist Will McBride eine Zeit lang durch Europa und lässt sich 1958 endgültig in Berlin nieder. Dort beginnt er an der FU weitere Studien der Philologie und Malerei. Er ist von der demokratischen Aufbruchstimmung im Nachkriegs-Berlin fasziniert und findet schnell Freunde. Der charismatische Künstler und „seine“ Clique genießen ihr Leben im wachsenden Wirtschaftswunder in vollen Zügen, konventionslos und nonkonform. McBride ist mit seiner Leica immer „mittendrin“ und bald entstehen Bildgeschichten von ungewöhnlicher Dichte, Dynamik und Nähe.

Er bietet diese Bilder, zusammengefasst unter Titeln wie 'Die Clique' und 'Lust auf Leben', verschiedenen Illustrierten an - ohne Erfolg. Seine Aufnahmen passen nicht in das damalige Gesellschaftsbild, das noch ganz von Wiederaufbau und Verdrängung geprägt ist. Das ändert sich erst, als er sich der Redaktion des gerade gegründeten Magazins 'Twen' vorstellt. Das junge Magazin will frischen Wind in die miefige Nierentischgesellschaft bringen, dafür erscheinen die lebensbejahenden, spontanen Bilder McBrides wie geschaffen. Bei 'Twen' lernt McBride den Gestalter Willy Fleckhaus – 1974 Kulturpreisträger der DGPh - kennen. Fleckhaus ist begeistert von der ungewöhnlichen ästhetischen Qualität und expressiven Kraft der Arbeiten McBrides. Er druckt sie großzügig in 'Twen'. Der hochbegabte Layouter und der eigenwillige Künstler werden schnell ein kongeniales Duo. McBride und Fleckhaus vereint der Wunsch, dem neuen Bewusstsein der jungen Generation Ausdruck zu verleihen.

Fleckhaus erfasst sofort McBrides außerordentliche Begabung für miterlebte Geschichten aus dem persönlichen Umfeld, die dieser in meisterhafte Photo-Essays umzusetzen versteht. 1959 heiratet McBride Barbara Wilke. 'Twen' wird für die junge Familie und ihre Freunde zum Photoalbum, das private Höhepunkte, wie die eigene Hochzeit oder die Geburt des ersten Sohnes, seitenlang coram publico zelebriert. 'Twen' hat Erfolg und McBride mit ihm. Kein anderer Photograph hat mehr Bilder im Archetyp aller Zeitgeistzeitschriften veröffentlicht. Und wohl kein anderer Photograph hat das Lebensgefühl der 1960er Jahre, der Generation zwischen Wiederaufbau und „68er Revolte“, eindringlicher und persönlich engagierter dokumentiert als Will McBride. Viele der damals entstandenen Photographien sind zu Ikonen geworden - so das Portrait seiner schwangeren Frau Barbara in offenen Jeans oder „Jazz auf dem Fluß“ , seine erste Photostrecke in 'Twen'.

1961 beginnt McBride auch für die 'Quick' zu arbeiten, damals eine respektable Zeitschrift. Er portraitiert Kennedy, Brandt und Adenauer. Besonders sein Adenauer-Portrait gilt - neben dem von Chargesheimer - als eines der markantesten Bilder des ersten Kanzlers. Dem 'Alten aus Rhöndorf’ kommt er so nah, dass er 1965 ein Photobuch über ihn vorlegt - Ergebnis einer ungewöhnlichen Beziehung. Nun steigt der junge Amerikaner unaufhaltsam in die Elite des Photojournalismus auf, und das, obwohl er sich immer mehr als Künstler denn als Reporter fühlt. Er jettet um die Welt, seine Photos erscheinen in Life, Paris Match, Stern und Look. In 'Twen' wird er bis zu der Einstellung des Magazins mehr als drei Dutzend Essays veröffentlichen.

1965 eröffnet Will McBride in München ein Werbestudio, das sich außerordentlich erfolgreich entwickelt. McBride ist auf dem Höhepunkt seiner Karriere, ein Kult-Photograph, der Traumgagen bekommt. Er visualisiert zahlreiche Kampagnen, beispielsweise für HB, Levi’s, Audi und Lufthansa. Zudem stehen Prominente in der Münchner Maximilanstraße Schlange. So reist Andy Warhol extra aus New York an, um sich von Will McBride portraitieren zu lassen. Er arbeitet rastlos und erste persönliche Krisen beginnen sich abzuzeichnen. Ebenso fordern Alkohol und Drogen ihren Tribut.

1969 kreiert er in Indien, inspiriert durch das Buch Hermann Hesses und auf Anregung von Willy Fleckhaus, seinen gleichnamigen Photo-Essay 'Siddhartha', der ein Klassiker des Genres wird und weltweit in allen großen Illustrierten erscheint. Doch für dieses Projekt, das nach den Worten McBrides die schwerste Arbeit seines Lebens gewesen ist, verausgabt er sich total. Auch bleibt das jahrelange exzessive Leben im Grenzbereich nicht ohne Folgen. Im gleichen Jahr erfolgt die Trennung von der Familie, und für McBride beginnen schwere Jahre. 1971 erscheint 'Twen' zum letzten Mal. 1972 zerbricht seine Ehe endgültig und 1973 geht das Studio in Konkurs. Trotz alledem legte er 1974 mit „Zeig mal!“ sein revolutionäres Aufklärungsbuch für Kinder vor, das weltweit Beachtung findet und mehrfach preisgekrönt wird.

In den kommenden Jahren wird es ruhiger um den Star-Photographen. Krank und gefangen in seinen persönlichen Krisen zieht er sich in sein Haus im toskanischen Casoli zurück, arbeitet von dort jedoch publizistisch weiter, unter anderem für GEO, Stern und Due Piu. Zunehmend widmet er sich auch wieder der Malerei und der Bildhauerei.

In den 1980er Jahren kehrt er nach Deutschland zurück und eröffnet in Frankfurt wieder ein Studio. Hier rücken Gemälde und Skulpturen weiter ins Zentrum seiner künstlerischen Tätigkeit. 1992 würdigt der Frankfurter Kunstverein sein photographisches Werk mit einer umfassenden Ausstellung. Inzwischen gelten McBrides Photos als Klassiker, die zum Besten gehören, was nach dem Krieg in Deutschland und darüber hinaus entstanden ist. Sie finden sich in allen namhaften Sammlungen, so in der Sammlung Gruber (Köln) und dem Deutschen Historischen Museum (Berlin) sowie in über 20 eigenen sowie unzähligen Büchern anderer Autoren.

Im Rahmen veränderter Moralvorstellungen geraten in den 1990er Jahren auch einige Arbeiten McBrides, ähnlich wie die von Jock Sturges und Sally Mann, in die Kritik. Besonders „Zeig mal!“ wollen konservative Gruppen mehrfach auf den Index setzen, was aber von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften immer abgelehnt wird.

1997 bringt er nach zweijähriger intensiver Arbeit das autobiographische Buch „I – Will McBride“ auf den Markt. Es sollte sich binnen kurzem international zu einem Bestseller entwickeln und mehrfach dekoriert werden.

Seit Ende der 1990er Jahre lebt Will McBride in Berlin. Seit dieser Zeit steht die Malerei zwar im Mittelpunkt seines Schaffens, doch arbeitet er auch weiterhin als Photograph, so beispielsweise für 'Vogue' oder die neue Zeitschrift 'Cicero“. Seine photographischen Essays sind heute vor allem bei neu entstehenden, modernen Magazinen und Zeitschriften gefragt. In regelmäßigen Abständen erscheinen zudem Bücher von ihm, zuletzt der Band „Mein Italien“ mit Aufnahmen aus seiner zweiten Wahlheimat.

McBride war nie besonders an Einzelbildern interessiert. Sein photographisches Medium war und ist der Essay, breit publiziert in einem Magazin oder Buch. Denn er wollte beeinflussen, möglichst viele Menschen mit seinen visualisierten Botschaften von Liebe und Frieden erreichen. Seine Credo „Was ich nicht fühle, kann ich nicht photographieren“ ist wortwörtlich zu verstehen. McBride war nie unbeteiligter Augenzeuge, er hat seine Bilder erlebt und erlitten und damit einen neuen Stil des subjektiven Essays geprägt, der von Photographen und Photographinnen wie Nan Goldin, Michael Ackermann und Antoine d’Agata aufgenommen und weitergeführt wurde.

Will McBride hat Photojournalismus in seiner Heimat durch Zeitschriften wie 'Life' und 'Look' kennengelernt, die dort stark durch ihre Vorläufer aus Deutschland und die Photojournalisten und Bildredakteure, die vor den Nationalsozialisten in die USA geflohen waren, geprägt waren. Er sieht sich selbst als jemand, der diese Tradition nach Deutschland zurück gebracht hat.

 

 

Quelle: http://www.dgph.de/preise/salomonpreis/salomonpreis2004.html

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